Unklarheit
Montag, 14. März 2016

Seit Monaten ist die Finanzierung dringend benötigter neuer Straßenbahnen für Frankfurt (Oder) ungeklärt. Die Stadt appelliert an das Land Brandenburg, es möge sich an den Kosten beteiligen, denn allein könne Frankfurt die gut 30 Millionen Euro nicht schultern. Die Landesregierung hält ihre gezahlten Zuschüsse dagegen für ausreichend. Für alle Brandenburger Straßenbahn- und O-Bus-Betriebe zusammen beträgt diese Förderung des Landes 5 Millionen Euro. Doch die reichen gerade einmal zum Erhalt der Infrastruktur. Um auch noch Rücklagen für neue Fahrzeuge zu bilden, langt dieser Betrag nicht. Eine Annäherung beider Seiten ist derzeit nicht in Sicht.

Frankfurt muss fast 30 Jahre alte Tatrabahnen der Baujahre 1987 bis 1990 durch Neubaufahrzeuge ersetzen. Die alten Wagen haben das Ende ihrer Lebensdauer weitgehend erreicht oder müssten aufwändig generalüberholt werden. Außerdem entsprechen sie nicht dem Bundesgesetz, das ab 2022 einen barrierefreien Nahverkehr fordert. Fahrgäste müssen zwei Stufen erklimmen, um in das Innere der Wagen zu gelangen. Für Rollstuhlfahrer sind sie somit ungeeignet.

Im Mai 2015 hat die Stadtverkehrsgesellschaft (SVF) daher den Kauf von 13 neuen Niederflurbahnen, mit einer Option auf zwei weitere Fahrzeuge, europaweit ausgeschrieben. Beworben haben sich die beiden Hersteller Solaris aus Polen und Skoda aus Tschechien. Gerechnet wird mit einem Preis von 2,5 Millionen Euro pro Straßenbahn. Auf die Option zweier weiterer Fahrzeuge wurde inzwischen aus Kostengründen verzichtet.

Eigentlich sollten von 2017 bis 2021 jährlich 2 bis 3 neue Straßenbahnen angeschafft werden. Auf diesem Wege könnte man die alten Tatrabahnen rechtzeitig ersetzen. Ein neues Szenarium sieht vor, dass erst im Jahr 2021 nur sechs neue Wagen gekauft und mehrere Tatrabahnen noch einmal aufwändig ertüchtigt werden. Die letzten sieben Neubaufahrzeuge würden demnach erst von 2027 bis 2029 angeschafft. Das würde zwar den akuten Finanzbedarf reduzieren, führte aber durch die zusätzlichen Investitionen in die alten Tatrabahnen zu höheren Gesamtkosten. Außerdem gäbe es bis 2021 keine Fortschritte auf dem Weg zum barrierefreien Nahverkehr. Dennoch zeichnete sich damals eine Favorisierung dieser Variante ab.

Ebenfalls denkbar wäre, vorhandene Tatrabahnen unter großem finanziellen Aufwand teilniederflurig umzubauen. Die Verkehrsbetriebe Gera, Cottbus und Brandenburg an der Havel sind diesen Weg Anfang der 1990er Jahre gegangen. Ob das bei 30 Jahre alten Fahrzeugen wirtschaftliche Vorteile brächte, ist ungewiss. Je älter ein Fahrzeug, umso höher sind seine Instandhaltungskosten. Neue Bahnen müssen in der Regel deutlich seltener in die Werkstatt. Auch hier würde man die Kosten lediglich in die Zukunft verschieben und insgesamt mehr Geld ausgeben.

Auch die Möglichkeit, gar keine neuen Straßenbahnen anzuschaffen und den Betrieb mittelfristig auf Busse umzustellen, wurde bereits in Erwägung gezogen. Das wäre das Ende der Frankfurter Straßenbahn, die seit 1898 zwar Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen und kommunistische Größenwahnphantasien überlebte, im 21. Jahrhundert aber an einem Gesetz zur Barrierefreiheit scheitern könnte. Diese Idee wurde allerdings am 14. März 2016 in einer Sondersitzung des Verkehrs- und Hauptausschusses der Stadtverordnetenversammlung verworfen.

Vielleicht ist am Ende sogar noch eine Einigung mit dem Land möglich. Brandenburg plant derzeit eine umfassende Strukturreform, in deren Folge Frankfurt seinen Status als kreisfreie Stadt verlieren soll und einem Nachbarlandkreis zugeschlagen würde. Die Stadt wehrt sich gegen diese Pläne. Würde sich Frankfurt hier kooperativer zeigen, könnte sich eventuell auch die Landesregierung bewegen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Am 23. Juni 2016 sollten Frankfurts Stadtverordnete entscheiden, welche Variante der Neubeschaffung man wählt. Am 30. September lief das Angebot der beiden Straßenbahnhersteller aus. Beide Anbieter haben ihr Angebot danach jedoch noch mehrere Male bis zum 30. Juni 2017 verlängert. Am 27. April 2017 entschied die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, dass von 2018 bis 2022 dreizehn neue Niederflurwagen für 34,8 Mio. Euro angeschafft werden sollen.

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